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Vergesst Team Coaching, wenn das Setup nicht stimmt!
Geschrieben von ETB - Empowerment Team Berlin am .
Wenn Teams scheitern
Teams entstehen und wachsen schneller als vor ein paar Jahren, sie sind internationaler denn je und die Komplexität des Arbeitsalltages wächst, nicht zuletzt durch hybrides Arbeiten und Künstliche Intelligenz.
Kein Wunder, dass viele Teams Probleme zeigen: Rollenunklarheiten, Konflikte, unzureichend klare Prozesse, ein niedriges Maß an Motivation und Engagement.
All das summiert sich auf zu mangelnder Leistung
Team Coaching ist daher hoch im Kurs, entweder durch die Führungskräfte selbst oder durch externe Coaches. Auch wir bieten solche Leistungen an, aber wir schauen genauer hin, denn Team Coaching funktioniert nicht hinreichend, wenn andere Bedingungen nicht stimmen.
In einer 2001 veröffentlichten Feldstudie bei Xerox (https://pubsonline.informs.org/doi/10.1287/orsc.12.5.559.10094) hat Ruth Wageman eindrucksvoll gezeigt: Coaching verbessert zwar das Selbstmanagement der Teams, aber nicht deren Performance. Hier hat das Team-Design einen wesentlich höheren Einfluss. Kurz gesagt: Struktur und Umfeld müssen stimmen. Dazu gehört es, dass die richtigen Leute mit den geforderten Skills im Team sind und das Team ausreichend Support bekommt.
Die Qualität der Teamstruktur erklärte in der Studie 37% des Erfolges der untersuchten Xerox-Teams. Eine spätere Metastudie kam sogar auf mehr als 40%. Es zeigte sich auch, das gut strukturierte Teams wesentlich mehr von Coaching profitierten.
Richard Hackman und Ruth Wageman plädieren für eine 60-30-10-Regel: 60% des Teamerfolgs werden bestimmt durch strukturelle Faktoren (Ziele, Aufgaben, Zusammensetzung, Regeln und Normen). 30% des Erfolges werden dadurch festgelegt, wie gut das Team startet, also wie gut der Lauch des Teams strukturiert und begleitet wird, damit es schnell in einen effektiven Arbeitsmodus kommen kann. Danach hilft Coaching, die letzten 10% zu perfektionieren oder sich an neue Herausforderungen anzupassen. Das ist nicht unwichtig, aber der wesentliche Grundstein wird im Design und der Startphase des Teams gelegt.
In den letzten Jahren ist die Situation noch komplexer geworden
Hybrid und vollständig remote arbeitende Teams erschweren Teamprozesse. Selten ist Zeit für einen gut strukturierten Team-Launch. Der zunehmende Einsatz von agentischer KI erfordert neue Formen der Zusammenarbeit mit Technologie, die auf einmal vom Skillset her auf Augenhöhe ist. Das alles führt zu Stressfaktoren, die sich negativ auf Teammitglieder, Motivation, Leistung und Zugehörigkeitsgefühl auswirken:
- Zu schnelles Wachstum der Teams. Gerade in schnell wachsenden Unternehmen werden Teams in Windeseile und über Kontinente hinweg aufgebaut. Es ist weder Raum noch Zeit da, sich kennenzulernen und sich als Team zu finden.
- Skills passen nicht. Es gibt zwei wesentliche Faktoren dafür: Ein zu geringes Maß an Sorgfalt beim Team-Design und - noch viel öfter - die Tatsache, dass es Personen mit genau passenden Kompetenzprofilen auf dem Markt gar nicht gibt.
- Langeweile dadurch, dass KI vielleicht einen Teil der Kreativität übernimmt.
- Mangelnder Selbstwirksamkeit. Teammitglieder haben das Gefühl, ihnen entgleitet die Kontrolle über ihre Arbeit und deren Ergebnisse.
- Zu geringe Kommunikation zwischen Teammitgliedern, da vieles nur noch über Systeme geregelt wird.
- Interkulturelle Reibung. Die technischen Möglichkeiten sind da, Teams über Grenzen einzelner Kontinente hinweg zu besetzen. Das heißt aber noch lange nicht, dass auch das interkulturelle Verständnis gleichermaßen gegeben ist. Im Gegenteil. Gerade, wenn dem Team-Launch zu wenig Raum gegeben wird, knallt es früher oder später.
Wie geht es besser?
Gute Führung und Coaching helfen zwar, dass sich ein Team weiterentwickeln kann, aber wenn der Grundstein nicht gelegt ist, bleibt der Einfluss gering. Daher ist es essenziell, auf folgende Erfolgsfaktoren zu achten:
- Job-Design: Klarheit in den Zielen, die das Team verfolgen soll, den Aufgaben die zu lösen sind, den Schnittstellen, mit denen gearbeitet werden muss und den dafür benötigten Fertigkeiten legt den Grundstock für gutes Job Design. Auch die Einordung in das Unternehmen als Ganzes und die Zusammenarbeit mit anderen Teams ist entscheidend. Klarheit verhindert hier Schnittstellenprobleme, Doppelarbeit und einige Konflikte. Beim Job Design müssen auf jeden Fall auch die neuen digitalen Teammitglieder, die KI-Agenten, mitberücksichtigt werden sowie die Ausstattung mit digitalen und nicht-digitalen Tools.
- Team-Design: Aufgrund des Job Designs kann das Team-Design erstellt werden. Es wird erarbeitet, welche Skills in welchem Maße gebraucht werden und wie die Struktur des Teams aussehen sollte, um optimal arbeiten zu können. Im Team-Launch kann das Team dann für sich wichtige Fragen klären: Wie gestalten wir unseren „Way of Working“? Wie gehen wir mit Außenstehenden um (andere Teams, Kunden, Partner etc.)? Wie wollen wir kommunizieren und Konflikte lösen? und mehr.
- Workplace Design: Die folgenden Fragen müssen beantwortet werden: Wie sieht der Arbeitsplatz des Teams aus? Ist er ortsgebunden, virtuell oder hybrid? Welche Räume und Einrichtungsgegenstände stehen zur Verfügung – auch digital? Wie wird der Zugang geregelt? Welche Zeitfenster spielen für die Teamarbeit eine Rolle? Welchen Support bekommt das Team von wem, wann und in welchem Maße?
- Cultural Design: Die kulturelle Umgebung eines Teams beeinflusst die Arbeit und das Verhalten der Teammitglieder stärker als schriftlich fixierte Normen. Daher ist sollte auch die Unternehmenskultur entsprechend entwickelt werden. Das geschieht natürlich nicht für ein einzelnes Team, sondern langfristig für das gesamte Unternehmen. Dazu müssen erlebbar Fragen beantwortet werden, wie: Wofür steht das Unternehmen? Was ist das langfristige Ziel? Woran messen wir Erfolg? Was wird belohnt, was nicht? Wo ziehen wir klare Grenzen? Wie fördern wir psychologische Sicherheit? Wie gehen wir mit Menschen um – Kunden, Partner, Lieferanten, Mitarbeitende? usw.
- Leadership: Natürlich müssen Führungskräfte ausreichend qualifiziert sein, um moderne selbstorganisierte Teams führen zu können. Empowerment ist ein zeitgemäßer und guter Ansatz dafür. Führungskräfte sollten nach einer Qualifikation aber nicht allein gelassen werden. Es braucht Raum und Zeit, um den Standard zu halten und weiterzuentwickeln. Interne Peergroups und externes Coaching sind wirksame Mittel. Hier entfaltet Coaching tatsächlich eine Hebelwirkung, da sich verbessertes Führungsverhalten deutlich auf das Team auswirkt.
- Feedback-Mechanismen: Arbeit ist heutzutage nicht einmal festgelegt und dann für immer starr. Jedes Job- und Team-Design ist im Grunde ‚Trial and Error‘, eine Antwort auf eine aktuelle Anforderung und kann in wenigen Wochen, Monaten oder Jahren eine Anpassung erfordern. Wann das der Fall ist, ist oftmals schwer festzustellen. Da eben auch Fehler auftreten können und Anpassungsanforderungen plötzlich entstehen, ist ein Feedback-Kanal sinnvoll, über den Teammitglieder Probleme melden können. Er sollte auch die Möglichkeit für anonyme Meldungen bieten.
Ansatz 1: Es von Anfang an richtig machen
Wie dargestellt, beginnt Teamerfolg lange bevor das Team überhaupt konstituiert ist. Unternehmen, die regelmäßig vor diesen Herausforderungen stehen, weil sie stark wachsen, sollten überlegen, wie sie die Faktoren Job-Design bis Feedback-Mechanismen als guten Standard etablieren können. Das ist eine umfassende Aufgabe, die nicht von heute auf morgen gelöst sein wird.
Wenn die Design-Vorarbeiten geleistet sind, sollten die Bedingungen für den Launch jedes einzelnen Teams möglichst optimal gestaltet werden:
- Team-Launch-Workshop: Teammitglieder lernen sich kennen und erfahren, welche Aufgaben sie haben, wie sie in das Unternehmen eingebettet sind und was sie von der Führung und dem Unternehmen als Ganzem an Unterstützung bekommen. In diesem Workshop kann auch bereits eine Verständigung über grundlegende Regeln des Miteinanders Platz finden. Der Workshop sollte, wenn möglich vor Ort stattfinden.
- Team-Box: Ein reales oder virtuelles Paket mit Arbeits- und Qualifizierungsmaterialien, hilfreichen Tools und spielerischen Elementen. Es ist nicht nur die Ausstattung des Teams, sondern auch Ausdruck der Wertschätzung.
- Zeitliche Struktur und Lernreise: Von heute auf Morgen ist kein Team zu 100% produktiv. Aber es kann sehr schnell gehen. Dem Team sollte klar sein, in welchem Zeitraum was erwartet wird, wann sie welche Lernschritte durchlaufen und an wen sie sich bei dieser Lernreise wenden können.
- Begrenzte zeitliche Begleitung durch Coaching. Gerade eine Phase ziemlich zu Anfang eines neu zusammengesetzten Teams bringt erst einmal Unruhe. Von Tuckman wurde die Phase „Storming“ betitelt. Begleitung des Teams durch internes oder externes Coaching und empowernde Führung hilft, diese Phase schnell zu durchlaufen und zu Produktivität zu gelangen.
- Empowerment-orientierte Führung: Teams werden erwachsen und entwickeln sich. Sie erlangen immer mehr Kompetenz, sich selbst zu organisieren und eigenständig Lösungen herbeizuführen. Ein Führungsstil, der auf Empowerment durch erlebte Bedeutsamkeit der Arbeit, Kompetenzerleben, echte Handlungsspielräume und spürbaren Einfluss auf Ergebnisse setzt, sorgt für ein Arbeitsumfeld, in dem Höchstleistungen entstehen können.
Ansatz 2: Team-Restart
Nicht jedes Team hatte die Chance, durch einen solch strukturierten Launch-Prozess zu gehen. Teammitglieder versuchen ihr Bestes, fühlen sich jedoch limitiert, sind durch unzureichende Prozesse frustriert, verlieren die Motivation und im Team selbst und mit anderen kommt es zu Konflikten, die sich festfahren. Auch das ist Realität in vielen Unternehmen, sollte aber nicht so bleiben. Coaching und Konfliktmanagement können wirken. In einigen wenigen Fällen reicht tatsächlich auch eine kurze systemische Intervention. Wenn das grundlegende Setup aber nicht stimmt, dann wird die Wirkung begrenzt bleiben.
Eine bessere Lösung bietet dann ein Team-Restart. Es wird bewusst eine klare Linie gezogen und das Team neu aufgesetzt.
Einfach durch die Schritte Job-Design bis Feedback-Mechanismen zu gehen, wäre nicht angemessen. Das würde der Teamrealität nicht gerecht werden. Daher sollten zusätzlich die folgenden Aspekte beachtet werden:
- Analyse der Situation: Am besten erstellen Außenstehende, die keine emotionale Beteiligung und eine passende Qualifikation besitzen, eine Analyse der Teamsituation. Dazu werden Teammitglieder, die Führungskraft, kooperierende Teams und ggf. weitere Personen befragt.
- Job-Re-Design: Gemeinsam mit der Führungskraft und dem Team oder ausgewählten Vertreterinnen und Vertretern wird das Job-Design neu erstellt. Hilfreich ist, wenn ein Green-Field-Ansatz verwendet wird, also unter der Prämisse designt wird, „was wäre, wenn wir ohne jede Vorbelastung ganz neu starten würden“. Es hilft sehr, wenn dabei das Team-Design ausgeklammert wird, da hier Emotionen hochkochen würden. Eine externe Moderation hilft, das sicherzustellen.
- Team-Re-Design / Workplace-Re-Design und Leadership-Anforderungen: Auf Grundlage des Job-Re-Designs und der vorangegangenen Analyse erstellen die Personen, die vorher am Job-Re-Design gearbeitet haben, nun das Team-Design. Welche Personen mit welchen Skills werden in welcher Struktur eingebunden? Dieser Schritt sollte eng mit dem Re-Design der Arbeitsumgebung verbunden werden und klare Forderungen enthalten, die an die Führungskraft und die weitere Organisation gestellt werden. Leitfrage: „Was brauchen wir, um erfolgreich zu werden“.
- Personalentscheidungen: In einigen Fällen wird es passieren, dass Personen das Team verlassen müssen oder neue hinzukommen. Diese Entscheidungen sind sensibel. Sie sollten fachgerecht von der Personalabteilung vorbereitet und ausgeführt werden. Es darf nicht sein, dass Teammitglieder ihre Kolleginnen oder Kollegen über solche Änderungen informieren müssen. Eine positive Unternehmenskultur und Personalentwicklung zeichnen sich dadurch aus, dass in diesen Situationen keine Entlassungen, Degradierungen oder Beschuldigungen stattfinden, sondern ein Team-Re-Design als ein natürlicher Prozess begriffen wird, der den Betroffenen auch neue Chancen bietet.
- Team-Re-Launch-Workshop: Danach kann ein Re-Launch-Workshop stattfinden, der dem oben geschilderten ähnlich ist, jedoch auch Raum für Trauerarbeit zulässt, wenn Personen das Team verlassen mussten. In der Durchführung sollten Moderatoren jedoch darauf achten, dass der grundsätzliche Blick in die Zukunft gerichtet wird und das Team sich nicht im Zitieren alter Geschehnisse verliert.
- Führungscoaching: Führungskräfte können zum Risiko bei einem Re-Start werden. Es fällt jedem schwer, sich von den vergangenen Erlebnissen zu lösen und das neue Potenzial zu sehen und zu fördern. In den ersten Monaten ein begleitendes Führungscoaching zu nutzen, hilft, dass Führungskräfte den Re-Start optimal begleiten, neue Chancen erkennen und fördern.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Teams funktionieren selten aus sich selbst heraus. Mit einem guten Setup und Start kann es aber gelingen, ihnen die Rahmenbedingungen mitzugeben, die sie brauchen, um zu wirklichen High-Performance-Teams zu werden.
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